«Alien Angel Super Death» ist das zweite Album der
Künstlerin Verena von Horsten. Geschrieben, produziert und
aufgenommen wurde es über weiteste Strecken von ihr
selbst. Das neue Album ist eine eindringliche musikalische
Dokumentation der komplexen Prozesse, die sie in den Jahren,
nachdem ihr Bruder Hakon an Suizid starb, durchlebte.
Die zehn Kompositionen sind keine leichte Kost. Die schweren
Synth-Rock-Nummern und die in allen Facetten enorm
präsente Stimme von Verena von Horsten fordern volle
Aufmerksamkeit. Das Album ist musikalisch wie inhaltlich
ein leidenschaftlicher Aufruf an die Gesellschaft, das Thema
Suizid und die Gründe, die dazu führen können, nicht weiter
zu tabuisieren. Sie lebt und arbeitet in Zürich.
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Lieder gegen das Schweigen
Ihre Songs sind Stationen auf dem Weg aus der Dunkelheit. Haltestellen der Verzweiflung
– manchmal. Kraftorte – oft. Eindringliche Reden an eine Gesellschaft, die sich von
seelisch Verwundeten abwendet – immer. Verena von Horstens Songs sind das Protokoll
eines tiefen Falls. Und einer Auferstehung.
Vor drei Jahren genau starb Hakon. Verena von Horstens Bruder. Es war seine Entscheidung,
diese Welt zu verlassen. Geblieben ist Verena. Seine Schwester. Die Künstlerin. Und in ihr all
die Fragen. Wie viele Entscheidungen haben andere bereits gefällt, bis ein Mensch nur noch
diese eine, letzte, hat? Die Entscheidung nicht hinzusehen, wenn jemand weint, wegzuhören,
wenn jemand um Hilfe ruft, keine Fragen zu stellen, wenn jemand zuerst in sich selbst verschwindet
– und dann aus der Welt. Und immer wieder die Frage nach der eigenen Schuld. Die
schmerzhaften Reisen zurück in die eigene Kindheit. Die Lähmung. Die Selbstkasteiungen.
Verenas Reise durch dunkle Lande ist eine lange. Sie wurde schon als Kind körperlich ausgebeutet
und dann verlassen. Statt auf Hilfe traf sie auf Staumauern des Schweigens. Daran änderten
auch ihre eigenen Suizidversuche nichts. Die Menschen schauten weiterhin weg.
Dann der Tod des Bruders. Er bedeutet sehr viel mehr als der Verlust der wichtigsten Bezugsperson.
Für Verena war es ein Kollaps all ihrer vitalen Funktionen – und schliesslich eine bedingungslose
Kapitulation vor einem Kollektiv der totalen Gesprächsverweigerung.
Als Verena von Horstens Überlebenswille nach dem Tod des Bruders den letzten Bus nahm,
kam allerdings nicht das Ende, sondern ein Anfang. Die Musik war wieder da. Zurückgekehrt als
Sprache, ihre eigene Stimme, als Umarmung. Und brachte Heilung und Auftrag.
Verena von Horsten erhebt ihre Stimme für viele. Für die stummen Toten und für alle, die noch
leben, aber keiner hören will. Sie macht dies laut und eindringlich. Leise und zerbrechlich. Sie
legt Feuer an Wände des Schweigens und singt Monster in den Schlaf. Verenas Stimme benennt
die Wunden, die kleinen und grossen, die alle von uns haben. Sie gibt ihnen Namen, damit
Reden über sie endlich möglich wird.
Was Verena von Horsten hier in zehn Stationen beschwört ist letztlich das Leben. Die
Kraft. Jede der zehn Synth-Rock-Nummern hat den totalen Anspruch einer Hymne. Man
kann zu diesen Songs nicht schweigen. Dafür sind sie zu vernarbt, zu weit gereist. Zu
nackt. Die Songs sind wuchtig. Sie fordern ihren Platz. Sie wollen gehört werden.
Verena von Horsten will, dass nicht mehr geschwiegen wird. Ihr neues Album heisst «Alien
Angel Super Death». Es ist keine unverbindliche Einladung zum Gespräch. Es ist ein lauter
Befehl, endlich miteinander zu reden.
«Denn hier, mitten unter uns, sterben jeden Tag Menschen an unserem Schweigen. Mein
Bruder nahm sich am heutigen Tag vor drei Jahren das Leben. Zeit zu reden, Freunde!»