Nach fast zwanzig Jahren Dasein als Jazz- und Pop-Musikerin wählt
Brandy Butler 2017 den Alleingang. Ihr erstes Soloalbum ist das Bekenntnis
einer Nonkonformistin: Mit entwaffnender Ehrlichkeit und einer
im Pop selten so ausgeprägt erlebbaren Emotionalität erzählt Brandy Butler
die wahre Geschichte einer gescheiterten Liebe und wird dadurch
nicht angreifbar, sondern sagenhaft stark. «The Inventory of Goodbye»
kann sich selbstbewusst mit Werken von Frank Ocean, Liana La Havas
oder Michael Kiwanuka messen.
Brandy Butler zu klassifizieren ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die in Philadelphia auf
Querflöte ausgebildete Jazzmusikerin ist wandelbar, und sie scheint sich in jeder Rolle
stets wohlzufühlen: Ob als Geschichtenerzählerin, Soulsängerin, Multiinstrumentalistin,
Schauspielerin oder Lehrerin – auf der Suche nach dem Kern ihrer Kreativität
kennt Brandy Butler keine Grenzen und scheut keinen Aufwand. Es ist diese konsequente,
langjährige und überaus engagierte Haltung und Arbeitsweise, die Brandy
Butler auf ihren eigenen Weg gebracht hat. Ein Weg, den sie alleine beschreiten
musste, um auf ihre ganz persönliche Wahrheit zu stossen. Nach der Isolation folgt
nun die Teilhabe: Auf ihrem ersten Soloalbum «The Inventory of Goodbye» weiht sie
uns ein und nimmt uns mit bis zu den dunkelsten Ecken, den düstersten Flecken ihrer
Geschichte.
«I tell stories that implore your emotional presence. I ask you to feel with me. This intense
calling of the listener to emotionally participate in the artistic experience on such
an honest level, lies on the outskirts of what my contemporary colleagues are doing»,
stellte die in Reading, Pennsylvania geborene Musikerin fest. Deshalb auch steht uber
dem neuen Werk von Brandy Butler ein Wort, in grossen Lettern: outlier, also der
Sonderfall, der Ausreisser, das isolierte Vorkommen. Das mag so gar nicht zur Soulqueen
von den ehemaligen The Fonxionnaires passen, oder zur einladenden Gastgeberin
von Chamber Soul. Aber zu Brandy Butler And The Brokenhearted passt der
Begriff meisterhaft. Denn wer seine Gefühle auf diese Weise entblösst, der muss die
Isolation erlebt haben.
Die elf Songs auf «The Inventory of Goodbye» sind getragen von Brandy Butlers
exemplarischer und wandelbarer Stimme, die uns abwechslungsweise an Nina Simone,
Etta James oder Courtney Barnett erinnert. Die Songs bilden eine Art Zyklus, in
welchem die Sängerin von der Liebe erzählt – die Platte beginnt mit dem Moment, als
Brandy Butler endlich fähig ist, ihren Liebsten loszulassen («Let You Go»), und folgt
dann mit einer akkuraten Untersuchung jeder Wunde im Glauben, dadurch eine Heilung
herbeizuführen. Und es scheint, als hätten die Leiden einer gescheiterten Romanze
nicht nur in Brandys Herzen Spuren hinterlassen, sondern auch in ihrer grossen
wunderbaren Stimme. Brandy Butler schrieb die Stücke während und nach eines
Aufenthalts in der Movahe Wüste New Mexicos. Und ja, die Wüste ist in diese Stücken,
auf ihrem weichen Boden breitet die Sängerin ihre intimsten Geheimnisse aus,
und unter der gleissenden Sonne werden diese Bekenntnisse zu Gebeten, zu Kampfansagen,
zu Mantras.
Und natürlich hat sich Brandy Butler für ihre Band The Brokenhearted nur die Crème
de la Crème der Schweizerischen Musikszene ausgesucht: An der Gitarre Robin Girod
aus Genf, seines Zeichens Kopf der Cajun-Rock ’n’ Roll-Band Mama Rosin und von
Duck Duck Grey Duck. Am Schlagzeug Domi Chansorn, Muli-Instrumentalist und musikalischer
Fingerabdruck unter anderem bei Fai Baba, Evelinn Trouble oder Bounce.
Und schliesslich Rodrigo Avarena, der in Chile geborene Bassist, der in Australien
wohnte und studierte bevor er in der Schweiz mit William White, Emel, Steff La Cheffe
etc. spielte.
Mit und dank diesen Musikern werden die Live Shows von Brandy Butler And The
Brokenhearted zur Sensation, denn so viel Musikalität, Energie und Passion lässt
niemanden kalt. «The Inventory of Goodbye» ist eine Naturgewalt, zum Himmel hoch
jauchzend, zu Tode betrübt. Und das Publikum fühlt es in jeder Faser seines Körpers.
In jeder. Das ist mehr als Pop. Das ist grosse Kunst.