GAUGEHILL – „Nume Mir“
Showdown in Bern. Am höchsten Punkt der Stadt, auf jenem Hügel, auf dem früher die Delinquenten der Bundeshauptstadt exekutiert wurden, hat man Stellung bezogen. Drei junge Berner, mit Skills bewaffnet bis zu den Zähnen, und bereit mit allem Unfug in der Schweizer Rapszene aufzuräumen. Statt wie in Sergio Leones Filmklassiker in die Mundharmonika zu pusten, zücken die Scharfrichter Geige, Mikrofon und Plattenspieler um ihren Kontrahenten das Lied vom Tod zu spielen. Das hier ist schliesslich kein Spaghettiwestern, sondern Rap. Wir hören das Debütal-bum von Gaugehill.
Seit langem brodelt es in der Gerüchteküche der Schweizer HipHop-Szene. Wer sind Gaugehill? Sind sie die Glasur auf dem Schweizer Rapkuchen? Die Crôutons in deinem Salat? Der Bergschuh in deinem Hintern? Alles in einem, lautet die Antwort. Aber fangen wir von vorne an: Es begann auf jenem Hügel im Berner Galgenfeld-Quartier, der ihrer Crew heute den Namen verleiht. Gemeinsam drückt man dort oben die Schulbank, gemeinsam entdeckt man die Hip Hop Kultur. Janos kauft sich Plattenspieler und wird zu DJ Clumb, die anderen beiden üben sich als Nemo und Pyro im Freestylen. Eine ganze Generation junger Berner Rapper geht in ihrem Übungsraum ein und aus. Schliesslich folgen erste Konzerte, erste eigene Tracks, erste Aufnahmen für die Mixtapes befreundeter Crews. Nach einem Konzert im Januar 2004 entschliesst sich die Gruppe PVP sie zu fördern. Es folgen Konzerte im Vorprogramm der Chlyklass Acts, ein Gastauftritt auf dem PVP-Album „Eifach Nüt“ (2004), ein Track auf der „Stägehuus 3“-Compilation.
„Wir wollen das Vakuum füllen, das hinter der Chlyklass herrscht. Alles was nachher kam, konnte nicht wirklich was Bewegen. Es wird Zeit die Chlyklass von der Bühne zu fegen“, sagt Nemo heute schmunzelnd und lässt gleichzeitig durchblicken wie gross der Respekt vor dem erfolgreichen Chlyklass-Kollektiv in Wirklichkeit ist. So wurde ihr Album unter der Oberaufsicht von Link (Wurzel 5 Rückgrat und Produzent) in den Chlyklass Studios aufgenommen. Doch die künstlerische Eigenständigkeit ist ihnen wichtig: „Wir sind unabhängig und wollen es auch bleiben. Unseren Deal haben wir alleine eingefädelt“, sagt Nemo, der in seinen Texten gerne mit der Keule austeilt. Und wenn er und sein filigranerer Kollege Pyro mit Pathos und Hang zur Dramatik loslegen, dann können sich die künstlich aufgeblasenen Schweizer Pseudorapper schon mal aus ihrem Mikrofonkabel einen Strick winden („euche Summer isch z’änd – ds isch dr Früelig für mi“). Aber das Scharfrichterliche kann auch ganz schnell ins Ironische kippen. Dann nimmt man sich selbst auf die Schippe als gäb’s nichts Leichteres, spielt mit Doppeldeutigkeiten, hält Federvieh statt Schusswaffen in die Luft („Gans id Luft“) oder erzählt gemeinsam mit PVP einem gewissen Wayne all das, was sonst eigentlich niemanden interessiert („Wayne interessierts“). Zwi-schen-durch besingen sie die Hassliebe zu ihrer Stadt, fahren mit Produzent SAD im Panzer über alle Hindernisse und lassen ihrem DJ Platz, um ihre Eigenständigkeit und seine Virtuosität an der Geige zu unterstreichen. Immer wieder kommen Nemo und Pyro auf den Battlerap, das kreative Kräftemessen zurück (auch auf „Rap primitiv“ mit den Nachwuchsrappern MQ&MIK), doch schliesslich beenden sie das Album mit einem ungewöhnlichen Liebeslied. Zu einem herrlich naiven Synthie-Beat von Clumb (daneben steuern auch Merlin, Link, Simon AyEm und Flink von den TAFS Beats zu einem vielseitigen Album bei) romantisieren sie in „11 Stund“ einen One Night Stand. Die in Bern oben machen also mal wieder was sie wollen. Mit solchen Scharfrichtern lässt sich leben.
Text: Adrian Schräder
Das Album „Nume Mir“ von Gaugehill erscheint am 30.03.07. Weitere Informationen auf www.gaugehill.ch.